Gethsemane – Garten des Verrats und Todesangstbasillika

Gethsemane – Garten des Verrats und Todesangstbasillika


Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wacht mit mir! Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, wenn es möglich ist, so lass diesen Kelch an mir vorrübergehen, aber nicht wie ich will, sondern wie Du willst.

Matthäus 26, 38-39

Der Garten Gethsemane. Erneut Gänsehautfeeling in Jerusalem. Ich befinde mich an dem Ort, an dem Jesus mit seinen Jüngern betete, in der Nacht bevor er durch Judas´ Verrat an die Hohepriester von den Römern verhaftet wurde. Meine Religionslehrerin wäre stolz auf mich. Was hat es sie nur für Mühen gekostet, uns die Geschichte mit der massivsten greifbaren Bibel in den Schädel zu hämmern. In Jerusalem geht alles wie von selbst. Gierig konsumieren Besucher die Jesusgeschichte, jedes noch so winzige Detail, das sich durch Überlieferung örtlich bestimmen lässt, wird eingehend studiert, diskutiert und fotografiert und demütig bewundert. Im Hostel sind abends die Betten gefüllt von Bibel lesenden, jungen, gut aussehenden Menschen, keine Nerds, keine Streber, Jesus ist in! Was ist denn da los in Deutschland? Religion, verstaubt und trocken. Eine Klassenfahrt nach Jerusalem, das wärs gewesen. Geschichte, Abenteuer, Erdkunde, Religion und Englisch in einem und jeden Tag ein fettes Shawarma! Aber mich fragt ja keiner.

Exkurs:

Der Abend zuvor. Eine Kanadierin liegt auf ihrem Hochbett und liest.  Die langen blonden Haare zu einem Dutt zusammengesteckt, schiebt sie aufmerksam ihre hübsche Nase zwischen zwei viel zu fette Buchhälften, während ich mich fertig zum Ausgehen mache. Vielleicht will sie ja mit? Auf dem Peak meiner Ignoranz stelle ich dumme Fragen, bevor ich die besondere Situation hier in Israel auch nur annähernd begriffen hatte.

„Was liest Du?“

„Die Bibel?“ Ihr Blick weiter gebannt auf das Buch der Bücher gerichtet.

„Die WHAT?“ Ich muss lachen! (Keine gute Idee!)

„Ich lese die Bibel!“ Die betont das letzte Wort, als litte ich unter Begriffsstutzigkeit.

Mädchen, Du siehst gut aus, bist jung und sexy, modern und intelligent, wieso liest so eine Granate wie Du die Bibel, anstatt heut Nacht mal richtig abzufeiern? Das würde ich natürlich nie fragen, aber das kommt dem deutschen Religionsunterricht-gequälten Durchschnittskonfirmanden doch als erstes in den Sinn, oder?

„Oh man, wieso liest ein Mädel wie Du DIE BIBEL!???“

Mist, jetzt hab ich doch gefragt.

Langsam dreht sie den Kopf in meine Richtung und schaut mich an.

„Wie bitte?“

„Naja, ich meine…also…mmh…und? Spannend?“

Die Tatsache, dass sie vom Hochbett auf mich herunterschaut verstärkt meinen Eindruck, dass ihr Blick abfällig und mitleidig auf mich herabprallt, wie ein Granitfelsen, der geradewegs vom Gipfel des Kilimandscharo in mein Gesicht rollt.

Wie kann man Frau einen Menschen nur so mit Blicken strafen?! Und ist das überhaupt christlich? „…dann halte auch die andere Wange hin.“ heißt es doch in der Bibel. Hab ich selbst einmal gelesen (glaube ich), Matthäus 5,39. Alle Hoffnung auf Barmherzigkeit, war bereits mit meiner Fragestellung gestorben, die, dass sie mich mit auf die Party begleiten würde, ebenfalls.

Wieder was gelernt.

Zunächst verwundert es mich, dass selbst solch ein Ort wie der Garten Gethsemane nach 2000 Jahren erhalten geblieben ist und heute für Touristen besuchbar ist. Damit ist buchstäblich die gesamte Apostelgeschichte der Bibel in Jerusalem für Touristen nachvollziehbar. Details von denen ich nicht erwartet hätte, dass man diesen weitere Beachtung schenkt, sind hierzulande von äußerst großer geschichtlicher Bedeutung. Es könnte allerdings auch ein Hinweis darauf sein, dass ich einfach keine Ahnung habe. Ja, das trifft es wohl eher.

Einige alte Olivenbäume zieren den ansonsten eher kargen Garten im Hinterhof der Kirche aller Nationen am Fuße des Olivenberges. Die Kirche wird auch als Todesangstbasilika bezeichnet, weil dies der Ort des Gebets Jesus gewesen sein soll. Der Ort, an dem er voller Angst betete und Gott darum bat, den Kelch der Kreuzigung an ihm vorrübergehen zu lassen (Matt. 26, 39).

Während mir der Garten fälschlicherweise neu angelegt erscheint, erfahre ich, dass heute noch bis zu 3000 Jahre alte Olivenbäume in Arraba und Deir Hanna stehen. Die Bäume im Garten Gethsemane wurden vermutlich von den Römern gefällt und zum Bau von Belagerungsmaterial verwendet. Jedoch hat der Olivenbaum die Fähigkeit immer wieder aus bestehenden Wurzeln einen Baum hervorzubringen, sodass es sich bei den Bäumen im Garten um echte „Nachfahren“ der Originalbäume aus der Zeit Jesus handelt. Abgefahren!

Todesangstbasillika

Die Kirche aller Nationen mit ihrer schön verzierten blauen Kuppel, steht heute an dem Ort, an dem man Jesus Gebetsort vermutet. Silence – Ein Schild ermahnt Besucher zu absoluter Stille. Für Gläubige ist der Ort, an dem Jesus verraten wurde und die weitere Geschichte seinen Lauf nahm, ein Ort der tiefen Trauer. Als ich die Kirche betrete, finde ich eine traditionelle christliche Kirche vor. Eine hallende Stille erfüllt den Raum. Ich bin fasziniert davon, wie unterschiedlich die Gebetshäuser der einzelnen Religionen erbaut und gestaltet werden. Moscheen, Tempel, Synagogen, Kirchen, und nirgendwo anders auf der Welt, findet man so viele unterschiedliche Religionen an einem Ort. Die Todesangstbasillika ist ein römisch-katholischer Sakralbau, der von 12 Nationen um 1920 gebaut wurde. 12 Kuppeln stehen symbolisch für die 12 Apostel. Sie werden von hohen Säulen getragen. Einige Leuchter hängen tief von den Kuppeldächern herunter und bringen ein schwaches Licht hervor, zu schwach, um den dreischiffigen Bau in Helligkeit zu tauchen. Der Ort wird mit Absicht relativ düster gehalten. So bleibt stets das Eingangstor geöffnet, um Tageslicht für die Besucher einfallen zu lassen.

Vor dem Altar liegt ein Stück Fels offen. Dies soll der Ort sein, an dem Jesus betete. Ein dunkles Metallgitter mit spitzen Enden umringt schützend den Felsen und soll zugleich an die Dornenkrone erinnern. Gläubige aus aller Welt fallen vor dem Dornenkronengitter auf die Knie, beugen sich über die Abgrenzung und legen demütig ihr Gesicht auf den Fels, um zu beten. Auch ich gönne mir einige Minuten der Ruhe, berühre den Fels, der durch Millionen von Christenhänden eine weiche, geschmeidige, scheinbar seidige Oberfläche hat und lasse die Atmosphäre auf mich wirken. Die Gelegenheit alle Eindrücke zu verarbeiten und ein wenig Abstand zu nehmen, von der Hetze des Pauschaltourismus, der man sich hier kaum entziehen kann. In mir ruhen – das Erlebte erfassen – realisieren – abspeichern und hoffentlich nie wieder vergessen. So wichtig, an einem Ort, der eine grenzenlose Flut an historisch bedeutenden Stätten aufzuwarten hat. Wer bereits die Grabeskirche Jesu besucht hat, weiß die Ruhe in der Kirche der Nationen zu schätzen. Ich gönne mir eine kurze Auszeit…

Die Grotte Gethsemane

Dann mache ich mich auf, zu einer der bizarrsten Stätten Jerusalems. Der Eingang lässt nicht vermuten, welch spezieller Ort sich dahinter befindet.

Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.

Matthäus 26, 40-41

Einen Steinwurf weit weg (Lukas 22:41) in der Grotte von Gethsemane, sollen die Jünger Jesus geschlafen haben, als dieser im Garten betete. Plötzlich finde ich mich in einem gigantischen Grotteneingang wieder. Treppenstufen führen steil bergab in eine Grotte von etwa 19 Metern Breite. Es ist dunkel und kalt. An langen Ketten hängen Kerzenleuchtern von der Grottendecke hinunter. Dunkle Flecken ziehen sich über Wände und Gewölbedecke und lassen sie ein wenig bedrohlich wirken.

Der Gedanke erscheint mir völlig daneben, doch mir fallen spontan alte Hörspiele der Fünf Freunde oder Drei ??? ein, die ich als Kind so gerne hörte. All die dunklen Höhlen und geheimnisvollen Plätze, an die ich mich durch diese Hörspiele, in meiner Vorstellung als Kind, habe entführen lassen, scheinen sich in diesem Ort zu vereinen. Große Gemälde mit schweren goldenen Rahmen hängen von den Grottenwänden hinunter oder sind neben geschmückte Altare gestellt worden. Ein unverwechselbarer Geruch, den ich nie zuvor roch, flutet die Grotte wie ein unsichtbarer Nebel.

Einige ältere Damen, die Häupter mit Tüchern bedeckt, schauen sich voller Ehrfurcht um, schießen Fotos und beten. Es ist stockdüster und ich verwende einen Blitz, um die Umgebung abzulichten. Die geheimnisvolle Stimmung innerhalb der Grotte geht dadurch verloren. Neben dieser Stimmung, ist der Ort aus noch einem anderen Grund einen Besuch wert. Kein biblischer Ort in Jerusalem ist besser erhalten und kann sicherer bis auf die Zeit Jesu zurückdatiert werden, wie diese Grotte. Es ist äußerst wahrscheinlich, dass dies exakt der Ort war, an dem Jesus Jünger schlafend warteten, bis dieser vom Gebet im Garten Gethsemane zurückkehrte und anschließend verhaftet wurde. Die Grotte wurde nicht, wie einige andere Schauplätze, örtlich von einer Person aufgrund von Schriften bestimmt, sondern befindet sich exakt an dieser Stelle, seit mehr als 2000 Jahren.

Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Und er rang mit dem Tode und betete heftiger. Und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen.

Lukas 22: 43

Outcuts:

Gefunden, während der Recherche nach geeigneten Bibelstellen.

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Weiterlesen macht klug

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6 comments

  1. Hi Jonny – super Artikel mit Tiefgang! Wieso soll die Bibel auch nich spannend sein? Nur weil die Kirchen so furchtbar weltfremd sind :-)…ne, finde immer noch Jesus war ein echter Revolutionär…Thx – schreib noch mehr solche super Berichte!

    • admin

      I agree! Ich bin gerade dabei diese drastische Wissenslücke auszuräumen 😉 Äußerst spannend!

  2. Beim lesen bekam ich eine Gänsehaut. Das muss ein besonderes Gefühl gewesen sein an diesen historischen Orten gewesen zu sein. Das wird es auch sein was so viele Leute zu diesem Ort lockt es ist nicht nur eine Attraktion weil jemand vor 2000 Jahren gut PR-Arbeit geleistet hat. Nein da muss wohl noch etwas mehr sein was diesen Ort so anziehend macht. Immerhin sind es ja nicht nur Christen die diesen Ort besuchen.
    Ich glaube mit diesen Artikel hat du einen neuen Punkt auf meiner bucket list geschaffen.

    Viele Grüße Timo
    http://www.headformylife.com

    • admin

      Das freut mich Timo. Jerusalem lohnt sich definitiv.
      Der Ort ist magisch oder heilig oder wie auch immer man das nennen mag. Nein, reine PR Arbeit war das wohl nicht, da hat „er“ wohl noch einiges mehr zurückgelassen als „nur“ PR 😉

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