Singapore – a fine city

Singapore – a fine city

 

Ich verlasse Singapurs Flughafen per MRT, dem U-Bahnnetz des Stadtstaats. Eine mechanische Stimme begrüßt mich freundlich auf Englisch und weist mir den Weg. Hunderte von Menschen wuseln geschäftig durch die unterirdischen Gänge. Mit System reihen sie sich an den Rolltreppen ein. Ich biege um die Ecke. Im rechten Ohr noch die englische Stimme, tönt es aus einem anderen Lautsprecher auf chinesisch in mein linkes Ohr. Als ich den Bahnsteig betrete, wird durch die Lautsprecher erklärt, welche Bahn, in welche Richtung fährt und welche Umsteigemöglichkeiten vorhanden sind. Auf Englisch, Chinesisch, Indisch und Tamilisch. Eine massive Glaswand schützt vor dem heranfahrenden Geschoss aus Metall. Alle 5 Meter sind sich selbst öffnende Glastüren eingelassen. Die Bahn hält computergesteuert und millimetergenau, sodass ihre Türen und die der Glaswand sich matchen. Die Fahrgäste befolgen die Anweisungen auf dem Boden exakt. Wer einsteigen möchte, wartet seitlich der Türen, wer aussteigen möchte, verlässt die Bahn geradeaus.

Ich steige ein…wieder die mechanische Stimme, sie kündigt jede Haltestelle inkl. Weiterfahrt mit einer der nur 2 anderen Linien an. Mittels 3 Linien, wird die gesamte Stadt abgedeckt. Alles ist gut durchdacht.

Es ist pikobello sauber, obwohl es keine Mülltonnen gibt. Weder in der Bahn, noch auf dem Bahnsteig, noch im gesamten Bahnhof. Denn…

…als ich mit meiner Macces-Cola die Kontrolle passiere, visiert mich aus 10 Metern Entfernung eine Uniformierte Singapurianerin (heißen die so?!) mit Adleraugen an und steht innerhalb eines Wimpernschlags neben mir:

„Sir, STOP drinking!“

„???“ Ratlosigkeit

„Stop drinking, u are not allowed to bring this with u.“

Dann wieder die mechanische Stimme, als hätte der Computer erfasst, dass ich meine Cola in den Bahnhofsbereich mitführen wollte. Die Stimme erklärt, dass weder Essen, noch Trinken innerhalb des gesamten MRT erlaubt sind. Strafe 500 Dollar! Hier gibt es keine herumlungernden Obdachlosen mit warmem Bier in der Hand, keine auf der Bank liegenden Streuner, die ein Nickerchen halten. Hier hat alles seine Ordnung, alles ist geregelt. Das hier ist die verdammte Zukunft, so habe ich sie mir vorgestellt. This is Captain-Future-Country! Die typische 80er Jahre Darstellung der fernen Zukunft, in der alles durch den Staat geregelt und Zuwiderhandlungen mit hohen Strafen belegt sind, ist hier Wirklichkeit geworden. Hört sich grauenhaft an?! Nein, ist fantastisch!

Ich fühle mich als Deutscher wohl! Sehr wohl! Bin ich noch vor 6 Wochen aus dem geregelten System Deutschlands geflohen, weil die Angepasstheit mir übelst auf die Galle schlug, fühle ich mich hier hingegen gut aufgehoben. Nichts wirkt bemüht, wie bei uns. Keine Haken und Ösen. 1000e von Regeln, jedoch keine, die Unsinn wäre (Hallo Deutschland!). Alles mit Strafen belegt, jedoch keine Strafe, die lächerlich wirkt. Wen willst Du mit 5 Euro Knollen vom Falschparken abhalten, Deutschland? Wie Geschwindigkeitsüberschreitungen durch imaginäre Punkte in Flensburg vermeiden? Hier in Singapur nippst Du am falschen Ort an Deiner Coke und zahlst 500 Dollar. Dies bedeutet, dass hier NIEMAND gegen die Regeln verstößt. Anders als in Deutschland also, wo Strafen nicht dazu dienen, das soziale Zusammenleben zu reglementieren, sondern den Staat zu finanzieren. So wird hier nicht alleine eine Strafe fürs Kaugummi ausspucken verhangen, nein, um jeden Preis, wird verhindert, dass überhaupt jemand die Möglichkeit hat, dieses üüüübelst derbe Vergehen zu begehen…

Kaugummis in Singapur – nicht erhältlich!

Der Verkauf ist verboten! Nur auf Rezept gibt es den „Stoff“ noch in der Apotheke, für ehemalige Raucher zum Beispiel. Versäumt der Apotheker, die Identität des Käufers festzuhalten, droht ihm eine Strafe von 3000 Dollar. Und wer dennoch spukt, zahlt 1000 Dollar! Dies gilt auch für weggeworfenes Bonbon-Papier oder sonstigen sogenannten „geringfügigen Abfall“ (Busticket, Streichholz, usw.) und natürliches widerwärtiges auf den Asphalt rotzen (weit verbreiteter Sport im schönen Cologne). Die weggeworfene Coladose gehört bereits zu den größeren Vergehen und wird natürlich mit der doppelten Strafe von 2000 Dollar belegt.

So fühlt sich hier ein Kaugummi spukender Singapurianer gleich gangsterlike, wie der Antichrist höchstpersönlich…mit der Kriminalität kann ich gut leben.

Benjamin, mit dem ich hier unterwegs bin, hält oftmals auf der Straße inne und überlegt. Ich drehe mich nach ihm um, er steht noch auf dem Gehsteig. “Mensch, ich muss erst einmal überlegen, ob ich nicht was falsch mache hier. Ich will nicht in den Knast.“ Die ersten Stunden sind von leichter Paranoia begleitet, doch man lebt sich schnell ein.

Er erzählt von einem Bekannten, der 2 Tage im Gefängnis verbringt, weil die Kassiererin eines Supermarktes den Scanner nicht ordentlich über den Kaugummi zog. Weder ihr, noch ihm, ist dies aufgefallen. Bei der Stichprobenkontrolle am Ausgang konnte er dann den Kauf der Kaugummis nicht nachweisen. Die Kassiererin erinnerte sich daran, dass sie die Ware gescannt hatte und klärte das Missverständnis auf. Technischer Fehler schützt vor Strafe nicht…er wurde verhaftet und erst 2 Tage später freigesprochen, als sich der Sachverhalt vor dem Richter klärte.

Rauchen in öffentlichen Einrichtungen (auch unter freiem Himmel) – verboten.

Auf Drogen-Besitz steht die Todesstrafe.

Vandalismus wird mit Rohrstockschlägen bestraft – ein Paradies für Masochisten!

Kritik an der Partei – verboten! Dies wird darüber hinaus über eine strenge Medienzensur geregelt.

Der Playboy ist verboten.

Die Cosmopolitan war bis 2007 verboten.

Anal- und Oralsex – verboten! (D. mein Lieber, hier würdest Du lebenslänglich hinter Gittern sitzen, haha)

Wer mit einem Tank, der nicht mindestens zu Dreivierteln gefüllt ist, Richtung Malaysia ausreist, will womöglich den günstigen Sprit im Nachbarland einkaufen. Verboten! Strafe 500 Dollar.

Der absolute Knaller jedoch ist:

Nachweisbare Lügen werden mit Höchststrafen von 2000-10.000 Dollar und zusätzlich 3-8 Rohrstockschlägen bestraft. Dabei werden die zu bestrafenden über einen Bock gelegt und ein extra hierfür ausgebildeter Rohrstock…mmmeister?! übt die Schläge in einem speziellen Winkel und einem bestimmten Schwung so aus, dass der höchstmögliche Schmerz bei geringst bleibendem Schaden verursacht wird.

Singapur ist die aufgeräumteste Stadt der Welt. Man könnte vermuten, dass eine Unzufriedenheit über die krasse Strafmentalität bei den Einwohnern herrscht. Tut es aber nicht! Nein, wir sind nicht in Deutschland, wo sich jeder über alles und jeden beschwert und lauthals seine Unzufriedenheit zum Ausdruck bringt! Die Bevölkerung ist zufrieden. Denn das System funktioniert! Auch ich muss zugeben, ich bin angetan…wusste zuvor nichts von all den Strafen und Regeln. Hätte mir jemand davon erzählt, ich hätte Singapur für schwer crank gehalten.

Aber die Stadt ist sauber und sicher! Kriminalität ist hier ein Fremdwort. Man kann sich zu jeder Tages- und Nachtzeit an jedem Ort in Singapur gefahrlos aufhalten. Dies ist nicht zuletzt der harten Strafgesetzgebung zu verdanken. So lautet das doppeldeutige Motto der Stadt

Sinapore is a fine City

Wobei fine sowohl mit „schön“, als auch „ Strafe“ übersetzt werden kann.

Dekadent geht die Welt zugrunde

Singapur ist auch eine der reichsten Städte der Welt. Hier wird gebaut, was gebaut werden muss. Das Stadtbild ist geprägt von beeindruckenden Gebäuden aus Glas und Stahl. Alles ist durchdacht, die Skyline bei Nacht um Marina Bay wirklich atemberaubend! Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus, als wir die Gegend durchforsten. Hier passt alles zusammen. Das krasseste allerdings ist die Airconmannie Singapurs, hier ist wirklich jedes Rattenloch vollklimatisiert! Befremdlich für uns Europäer, die Kosten und Klima im Blick haben, ist dabei, dass die Türen offen stehen. Geht man die Einkaufsstraßen der Orchard Road entlang, strömt einem die gekühlte Luft der Läden ins Gesicht. Um es kommt noch dekadenter. Abends entdecken wir ein Gebäude, das VON AUSSEN gekühlt wird. Ein riesiger Luftschacht schießt eiskalte Luft gegen die Außenmauern der monströsen Blume im Marina Bay. Absolut Crazy.

Die Menschen

Die Bevölkerung besteht aus 75% Chinesen, 14% Malayen und 8% Indern, insgesamt 4,8 Millionen Einwohner. Die Hälfte der Bevölkerung sind Buddhisten, etwa 15% gehören dem Islam an. Die Menschen sind hilfsbereit und „ansprechbar“ allerdings nicht ganz so freundlich wie in KL. Dies ist insbesondere der chinesischen Mentalität zu verdanken, die eher reserviert ist und bei der älteren Bevölkerung auch in Unfreundlichkeit ausarten kann. Während in KL die Malayen offensiv Touristen ansprechen, rennen die Chinesen in Singapur eher geschäftig durch die Straßen, sind aber durchaus überdurchschnittlich freundlich (ich muss leider immer wieder Deutschland als Maßstab nehmen), wenn man sie anspricht und überdurchschnittlich intelligent (nein, hier nehme ich nicht mich als Maßstab). Englisch ist die Landessprache, gemeinsam mit Chinesisch, Indisch und Tamilisch. Das bedeutet, das hier jeder perfekt englisch spricht, begleitet von einem harten asiatischen Akzent, der jedoch fast immer gut zu verstehen ist und sehr sympathisch klingt. Die Bevölkerung ist glücklich und gelassen. Sie sind zufrieden mit dem Staat. Ein weit verbreiteter Ausspruch ist auch „Der Staat wirds schon richten.“

 

Sightseeing

Das obligatorische Chinatown hat das Übliche zu bieten, Souvenirshops, Tempel und mit Lamignons geschmückte Strassen. Außerdem gibt es noch Little India, das Hauptareal für Backpacker (und Inder halt). Bollywoodflair in den Straßen und Gäschen und der Geruch von Curry und Müll und Gras (Todesstrafe?) begleiten beim Gang durch Little India.

Die Marina Bay wartet mit ihren beeindruckenden Wolkenkratzern auf und lohnt insbesondere bei Nacht (Sonnenuntergang verdammt spät für asiatische Verhältnisse, gegen 20 Uhr). Das beeindruckendste Gebäude ist das Marina Bay Sands. Ein auf 3 Wolkenkratzern gebautes Boot. Ein Casino und ein riesiger Swimmingpool befinden sich auf dem Dach des Gebäudes. In der Nähe befindet sich noch Clarks Quaye, hier reihen sich Restaurants, Bars und die hiesigen Clubs aneinander. Die Alkoholpreise sind astronomisch. Ein Bier kostet bis zu 18 Dollar, was zum aktuellen Kurs etwa 10 Euro entspricht.

An der Südlichen Spitze Singapurs befindet sich Sentosa Island. Eine kleine Insel mit künstlich aufgeschütteten Stränden. Hierfür wurden Sand und Palmen importiert. Auf Sentosa befinden sich die Universal Studios, die besucht werden können.

Eine der Highlights Singapurs ist der Zoologische Garten mit angeschlossenem Vogelpark und Nightsafari Zoo.

Nachtleben

Der Oberknaller!

Singapur hat ein reges Nachtleben. Insbesondere am Clark Quaye und auf Sentosa Island. Die angesagtesten Clubs sind das Le Noir, Attica, Zirka und Dbl O. Der Eintritt liegt meist bei etwa 20-30 Dollar, was 12-18 Euro entspricht. Ein oder zwei Getränke sind inbegriffen. Der Alkohol ist mir allerdings etwas suspekt. Ich werde um einiges langsamer betrunken (vielleicht hat man hier Rücksicht auf die allzu schnell abgefüllten Asiaten genommen) und mir geht es morgens bedeutend schlechter, als nach durchzechten Nächten in Deutschland. Oder liegt es an der fehlenden 5 Tage Arbeitswoche, die mir zuvor zur Ausnüchterung diente?! Keinen Plan.

Fazit

Singapur ist eine der geilsten Städte meines Lebens. Ich starte meine Reise als Strandliebhaber und Großstadthasser, plane die großen Metropolen nur als Zwischenstopps ein und erlebe KL und Singapur als zwei der besten Orte, die man bereisen kann. KL als Stadt, die man gesehen haben muss…Singapur, als Stadt, in der man leben möchte. Da bleibt nur eine Konsequenz…ich bleibe vorerst.

Hi Singapore, here I am!

Weiterlesen macht klug

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7 comments

  1. Das alles minutiös durchgeplant ist, ist fantastisch?
    Kann ich mir wirklich nur schwer vorstellen, ich glaube das würde mir nach spätestens 2 Tagen unsagbar auf die Nerven gehen. ^^

    Grüße. Paul von Ganzglastüren

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  3. Spitzen Artikel. Ich war selber nur in der Mongolei unterwegs und suche gerade nach neuen Reisezielen. Weiter so.

    • admin

      Dann kann ich Singapore nur empfehlen 😀 wäre zur Mongolei allerdings das brutalste Kontrastprogramm.

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