Stell Dir vor, Du bist zur falschen Zeit im falschen Land geboren

Stell Dir vor, Du bist zur falschen Zeit im falschen Land geboren

Das wäre an meinem Geburtstag im Juli 1975 definitiv Kambodscha gewesen. Denn nur wenige Monate zuvor, im April 1975, startete der kambodschanische Khmer Rouge Führer Pol Pot seine grausame und Jahre andauernde, blutige Schlacht gegen das eigene Volk.

Um den katastrophalen Zustand und die Armut Kambodschas besser begreifen zu können, ist es nötig, sich grob mit der Geschichte dieses von Krieg und Folter geprägten Landes auseinanderzusetzen. Daher besuche ich heute das Tuol-Sleng-Genozid Museum, zu Khmer-Zeiten das Sicherheitsgefängnis S21 in Phnom Penh.

Als Pol Pot die Macht übernimmt und seinen unvergleichlichen Feldzug gegen die eigene Bevölkerung startete, wurde die ehemalige Schule kurzerhand in ein Gefängnis der Folter verwandelt, in dem die Elite das Landes zu Tode gefoltert oder zu Geständnissen gezwungen wurde. Pol Pot begann nach eigenen Idealen eine sogenannte Massensäuberung Kambodschas. Es sollte ein Agrarkommunimus geschaffen werden, der keine sozialen Unterschiede in der Gesellschaft mehr duldet. Korruption und Armut des Landes sah Pol Pot insbesondere in Klassenunterschieden und dem sozialen Gefälle zwischen Stadt und Land begründet.

So wurde systematisch die komplette Mittel- und Oberschicht, vor allem die Stadtbevölkerung, ausgerottet. Wer eine Brille trug, galt als Intellektuell und wurde getötet, wer zu weiche Hände hatte, war gebildet und für die Agrarwirtschaft vermutlich ungeeignet, er wurde getötet. Alle Lehrer, Ärzte, Juristen, Beamten sowie jeder andere Kambodschaner mit höherem Bildungsgrad wurde umgebracht.

Nach dem Ideal Pol Pots regiert die Unterschicht das Land. Überlebende Stadtbewohner wurden aufs Land vertrieben und verstarben auf dem Monate andauernden Marsch dorthin oder anschließend vor Hunger aufgrund fehlender Kenntnisse zur Bewirtschaftung der Felder. Großstädte wie Phnom Penh glichen einer Geisterstadt ohne Einwohner.

Geld, Bücher, jeglicher Besitz wurde abgeschafft und verboten! Die Menschen besaßen nichts weiter, als die Kleider, die sie am Leibe trugen und kämpften um ihr Überleben. Schulen, Krankenhäuser, Banken sowie alle Industriebetriebe wurden geschlossen. Alleine 300 der 350 in Kambodscha lebenden Ärzte wurde gnadenlos und ohne Rücksicht auf die medizinische Versorgung der Bewohner getötet. Mehr als 2 Millionen Menschen, das sind zu diesem Zeitpunkt ein Drittel (!) der Gesamtbevölkerung, werden von ihren eigenen Landsleuten abgeschlachtet. Und dies im wahrsten Sinne des Wortes, denn Munition war zu teuer.

Überall in S21 weisen Schilder Besucher darauf hin, dass das Lachen innerhalb des ehemaligen Gefängnisses, aus Respekt vor den Opfern, untersagt ist.

Die Räume sind karg und kalt. Sie sind mit nichts anderem als einem Bett ausgestattet. Mit schweren Stahlfesseln an Gitterbetten gefesselt, die Metallkiste zwischen die Beine geklemmt, um Kot und Urin aufzufangen, vegetierten Lehrer, Ärzte und andere Menschen, die der kambodschanischen Mittelschicht angehörten, Monate in ihren Zellen, bevor sie an Folter starben oder auf die Killing Fields zur Hinrichtung gebracht wurden.

An Wänden, Böden und Decken klebt noch das Blut der Gefangenen von vor über 30 Jahren…es lässt sich nicht mehr entfernen, ist längst tief in die Kacheln eingezogen.

Alle Häftlinge wurden genauestens datentechnisch erfasst und fotografiert. Das Motto Pol Pots: Lieber einen Unschuldigen zu viel getötet, als versehentlich einen „Schuldigen“ entwichen zu lassen. Als schuldig galt, wer gebildet war.

S21-ein grauenhafter Ort, der für Besucher Phnom Penhs in Gedenken an die Opfer zum Pflichtprogramm gehören sollte.

Weiterlesen macht klug

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5 comments

  1. Vielen Dank für deinen Bericht! Mehr braucht man nicht sagen, die Bilder sind sehr bewegend!

    LG
    Manuela

  2. Heeey Dennis..besuche deinen Blog auch während meiner Weltreise hin und wieder…immer wieder total spannende Berichte. Wie lange bleibst du in Kambodscha? Wohin gehts danach?

    Liebe Grüsse auf Pai..Thailand
    Leni

    • admin

      Hey Leni, bin jetzt in Hong Kong.
      Vielen Dank fürs Lesen. Hast du auch einen Blog?! Wie ist Deine Route so?!

      • Leni

        heeey Dennis..
        unsere Homepage: http://www.unserereise.ch/reisebienen
        Wir sind grad in Vang Vieng…Tubing ahoi 🙂

        Wär cool wenn sich unsere Wege mal kreuzen würden… nach Laos gehts bei uns weiter nach Vietnam…danach Singapur, Malaysia, Indonesien, Australien..und noch mehr 🙂

        bis bald..
        Leni

  3. Simone

    Hey Dennis,

    schön, dass du neben all dem Inselhopping und der Stadt der Superlative auch darüber geschrieben hast… Es hat mir auch die Tränen in die Augen getrieben dort, und es ist unfassbar, dass es noch gar nicht so lange her ist…