„Zeig doch ma ´n Schlangenbiss“

„Zeig doch ma ´n Schlangenbiss“


Seit dem letzten Post erreichen mich einige Mails ausgemachter Masochisten, die gerne wissen würden, wie es ist, von einer Boa gebissen zu werden. Schade, dass ich die großen Tiere bereits abgegeben habe, mit der Idee „Biss gegen Bares“ hätte ich sicher eine interessante Marktlücke im SM-Bereich bedienen können.

„Wie sieht´n das aus?“, Fängt die dann auch an Dich zu würgen?“ „Kannste mal ein Foto zeigen?“
Damit Ihr Euch an meinem blutigen Leid erfreuen könnt? Nichts lieber als das! Die größte Freude ist ja bekanntlich Schadenfreude. Und da mir eh grad langweilig ist, schließlich bin ich ja noch im Lande…

Natürlich wird man ständig gebissen, gerade, wenn man Jungtiere aufzieht. Die Kleinen sind besonders zickig. Mein größtes Tier maß um die 2,50m und hatte den Durchmesser eines Männeroberschenkels.  Zum Glück werden Boas mit zunehmender Größe und Masse träger, so dass sie mich nie erwischt hat. Ein flinkerer Kandidat um die 2m, ist mir allerdings schon mal ins Gesicht gesprungen und ich konnte in letzter Sekunde zum Schutz meinen Arm hoch reißen. Und das sah dann exakt SO aus (Foto oben). Aber NEIN, sie fangen nicht das Würgen an, denn mit dem Eindringen der Zähne ins Fleisch realisieren sie, dass es sich nicht um ein typisches Beutetier handelt (also in der Regel, alles in der Regel. Im Busch sollte man sich nicht darauf verlassen.)

Im Maul einer Boa befinden sich 2 Reihen mit massenhaft spitzen, nach hinten gebogenen Fangzähnen und nicht wie viele fälschlicherweise annehmen, nur 2 Eckzähne. Dadurch entstehen beim Biss mal eben 20-50 nadelstichartige Einzelwunden. Jeder einzelne Blutpunkt auf dem Foto ist je eine Wunde von einem der Zähne. Nach einigen Minuten fängt jeder Einstich mit einigen Millionen Umdrehungen an zu brennen wie Feuer, bekannt von der hotten Currywurst um die Ecke. Nur halt nicht im Mund, sondern auf dem Arm. Schön zu sehen an der Hautreaktion, wenn man das Blut abwischt.

 

Durch die nach hinten gebogene Form der Zähne sollte man eines keinesfalls tun, den Arm wegziehen, denn das würde die Wunden aufreißen. Ich wurde in den letzten Jahren sicher ein paar Dutzend mal gebissen und habe mir nach jedem mal fest vorgenommen, beim nächsten Biss die Hand nicht wegzuziehen…richtig: Klappt nicht!

Es ist immer die gleiche Prozedur:
Schlange beißt zu.
Ich ziehe den Arm weg, während sie mir die Zähne ins Fleisch rammt.
Ich schreie wie ein Mädchen (natürlich auch, wenn ein 30cm  Baby zubeißt, wenn schon, denn schon).
Ich blicke erschrocken meinen Arm an und….Klar: hole den Fotoapparat, um voller Begeisterung die Wunde zu fotografieren.
Dann rufe ich meinen Kumpel an, der nebenan wohnt, um ihm stolz die Wunde zu zeigen, der lacht sich nen Ast ab und erst dann wird die Wunde verarztet.

Mit welcher Wucht die Tiere ihre Zähne in den Arm schlagen, sieht man, wenn kurze Zeit später die Blutergüsse erscheinen, weil alle Blutgefäße geplatzt sind (hier auf dem Foto von einem Biss in der Armbeuge). Neben dem Aufreißen der Wunde, hat das Wegziehen des Armes auch die Folge, dass die Zähne der Schlange ausreißen und im Arm steckenbleiben. Das ist dann besonders schön, denn dann geht’s ab ins Krankenhaus, weil sich die Wunde entzünden kann oder der Zahn sich verkapselt.

 

 

 

Meine Krankenhausbesuche waren immer besonders amüsant:

„Ja, wie können wir Ihnen helfen?“
„Ich wurde von einer Schlange gebissen.“
„Wie bitte?“
„Eine Schlange hat mich gebissen.“
„Um Gottes Willen, wie das?“
„Sie hat mich wohl mit einer Ratte verwechselt.“
„Ja ähm…dann…ja…wo war das?“
„Bei mir zu Hause.“
„Bei Ihnen zu Hause? Das ist ja schrecklich. Wo kam die denn her“
„Ne, das war schon meine eigene Schlange, in freier Wildbahn gibts ja nicht so viele in Deutschland.“
„Ach so..ok. War sie giftig?“
„Nein.“

Inzwischen stehen 5 Ärzte und Schwestern um mich herum und schauen mich mitleidsvoll an.

„Wir müssen den Chefarzt rufen“
Der Chefarzt kommt.
„Sie wurden von einer Schlange gebissen?“
„Ja“

Er guckt sich die Wunde an.

„Mmmhh…gut…also das hatten wir hier noch nie. Ich würde gerne einen Kollegen konsultieren.“
„Sie müssen den Arm röntgen.“
„Ja?“
„Ja, um zu schauen, ob Zähne hängengeblieben sind.“
„Ach so, ja ja. Frau Dingenskirchen bitte röntgen.“
„Sind Sie denn schon mal gebissen worden?“
„Ständig! Das ist mein Hobby.“
„Wie bitte???“
„Die Schlangen, nicht die Bisse.“
„Ah, ok…“

Nach dem Röntgen.

„Da sind 2 Zähne in der Wunde…ich muss den Chirurgen rufen.“
„Wenn Sie mir sagen, an welcher Stelle, kann ich die Zähne auch selber rausziehen, ich brauche nur eine Pinzette.“
„Neeeeeeiiiiiin, ich rufe den Chirurgen.“

Auf dem Röntgenbild ist ein abgebrochener Zahn von einem Biss in den Finger zu sehen, rechts zwischen den Knochen (der übrigens noch heute in meinem Finger steckt).

Der Chirurg ist meist, der einzige, der routiniert mit der Situation umgeht und die Zähne entfernt. Allerdings bekam ich auch schon zu hören:

 

 

„Wir legen besser einen Gips an, damit der Arm ruhiggestellt wird.“
„Ähm nein!?“
„Ja dann aber auf ihre Verantwortung.“
„Gerne. Jetzt brauche ich noch Antibiotikum, falls sie die Wunde entzündet.“
„Ok ok, Frau Dingenskirchen, Antibiotikum verschreiben, bitte. Aber einen Verband lege ich ihnen an“
„OK, wenn´s Ihnen dann besser geht.“

 

 

 

 

Und da ist der Übeltäter…

Bei großflächigen Bissen also eine Menge Aufwand für eine Sekunde der Unaufmerksamkeit. Fazit: Am besten nicht beissen lassen. Wobei sich das im täglichen Handling mit den Tieren kaum komplett ausschließen lässt.

Weiterlesen macht klug

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9 comments

  1. pia

    Voll der tolle Artikel Schatz 🙂 Vielleicht solltest du mal Workshops für Ärzte anbieten, die keine Ahnung haben 😉

  2. Haha toller Artikel! Ich hab zwar keine Schlangen, dafür Vogelspinnen. Zum Glück wurde ich aber noch nie gebissen, denn meine Regalis sind auf der Giftskala doch etwas höher als andere Vogelspinnen.
    Wünsch dir auf jeden Fall noch viel Spass mit deinen Schlangen 😉

    • …ok, da wäre ich dann auch etwas vorsichtiger 😉
      Was fressen die denn, Mäuse oder Heuschrecken?

      • Xenia

        Die Süssen fressen grosse Heuschrecken oder Schaben. Mäuse wären definitiv zu gross für ne Regalis. Das ist eher Futter für ne T.Blondi. Ausserdem verfüttert man selten Mäuse, da diese Blut in sich haben, was die Vogelspinnen auf den Geschmack bringt. Dadurch können sie zum Teil aggressiver gegenüber uns Menschen werden. Es gibt einmal pro Monat ca. 4-5 Heuschrecken ins Terri und dann gehts 1-2 Tage und alles ist verputzt 🙂

  3. Einfach nur lustig das zu lesen. Bitte mehr von diesen Texten! Dieser sarkasmus ist einfach göttlich 🙂

  4. JulianW

    Hahaha sehr amüsant 😉
    Ich wurde heute von meiner „kleinen“ gebissen (ist nur 70cm lang). Tat überhaupt nicht weh und brennt komischer Weise auch nicht….Aber ich habe es wirklich geschafft den Arm still zu halten und die Boa abzunehmen vom Arm :). Hab natürlich auch erst ein Foto gemacht 😀 und dann die Wunde ausgewaschen und abgetrocknet. Auf jeden Fall hat sie mich mit einer Maus verwechselt und voll in den Handballen gebissen 😀

    MvG

    Julian Witthaut

    • JulianW

      PS mein Vater ist Chefarzt und Handchirurg….also hab ich ja viel Glück 😉 und er kennt sich mit Reptilien aus da er 40 Jahre Mitglied bei einem Verband ist 😉