vom Alleinereisen

vom Alleinereisen

Warum alleine?


Eine berechtigte Frage. Die Tatsache, dass ich alleine fliege, stößt auf das größte Unverständnis, Erstaunen, Ehrfurcht oder Entsetzen. Vor einigen Jahren noch habe ich Menschen, die alleine Urlaub machten, bemitleidet. „Ja hat der denn keine Freunde?“ Eher eine rethorische Frage, mehr ein Vorurteil., während ich wunderschöne Urlaube mit meiner Freundin verbrachte und mir nicht vorstellen konnte, die Erlebnisse mit niemandem teilen zu können. Beim zeitweise auftretenden Freundinnenwechsel geriet ich dann an ein Mädel mit Flugangst und war somit gezwungen, selbst darüber nachzudenken, alleine in den Flieger zu steigen. Alternativ im Freundeskreis herumzufragen, um dann im Partyschuppen auf Mallorca zu landen…nein danke. Jemanden zu finden, der mal eben 2000-3000,- Euro investiert, um eine „richtige“ Reise zu unternehmen…aussichtslos. Also Rucksack gepackt und los geht’s….und es sollte eine der besten Entscheidungen sein, die ich treffen konnte. Nie habe ich mehr Leute kennen gelernt, nie mehr erlebt, nie so viel aus einer Reise gezogen, wie auf dieser.

Stellt man die 4 möglichen Reisealternativen gegenüber, wird der Reiz alleine zu reisen, schnell deutlich.

Als Paar

Ganz klar hat der gemeinsame Pärchenurlaub auch seinen Reiz. Gemeinsame romantische Stunden am Strand, ein Dinner bei Kerzenschein, jemand, der Deinen Koffer trägt. Aber sobald sich die Prioritäten nach einigen Jahren verschieben und „coole Leute kennen zu lernen“ wieder auf der Liste der Ansprüche für den kommenden Urlaub steht, wird’s kritisch. Denn grundsätzlich gilt:

Reist man als Paar, bleibt man allein!

Man wird so gut wie nie angesprochen. Es wird unterstellt, dass man als Paar ungestört sein möchte. Auch Eifersucht ist immer ein Thema, mit dem man sich als Alleinreisender nicht auseinandersetzen möchte. Dann lieber andere Alleinreisende oder Gruppen ansprechen. Als Paar hat man in erster Linie sich. Man beschäftigt sich gegenseitig und entwickelt gar nicht erst das Bedürfnis andere Reisende kennen zu lernen. Und damit entgeht einem eines der wesentlichsten Erlebnisse einer Reise, Menschen zu treffen, offen für fremde Kulturen und Begegnungen zu sein, sich auszutauschen und auf Langzeitreisen persönlich weiterzuentwickeln. Immer ist jemand da, der Dir hilft, immer jemand, den Du fragen kannst, sogar ganz bequem in Deiner Landessprache, immer jemand, dessen Stärken Dir bekannt sind und die Du nutzen kannst. Mit bestimmten Dingen ist keine Auseinandersetzung notwendig, er/sie kanns ja eh besser und wird’s schon richten. Er kann besser Karten lesen, sie kann besser den Rucksack packen, er besser englisch, sie besser spanisch, er…sie…er…sie…man ergänzt sich halt. Toll, wenn man ein Team ist…arm wenn man von einem scheinbar „Lebens verändernden Weltreisejahr“ heimkehrt und es hat keine Veränderung stattgefunden, Stillstand!

Mit Freunden

Die noch schlechtere Variante.

Reise mit einem Freund und er war es die längste Zeit Deines Lebens,

wie man so schön sagt. Mal eben ein Bierchen zu Hause trinken oder abends gemeinsam feiern gehen, qualifiziert eine Freundschaft nicht, monatelang auf engstem Raum zusammen zu hocken. Viel zu viele Kompromisse warten, mit denen man sich bisher nie gemeinsam auseinandersetzen musste. Einige Zeit miteinander zu reisen und sich jederzeit trennen zu können, ist sicher die attraktivere Lösung, die Abwechslung in den Reisealltag bringt. Von vorn bis hinten mit einem Freund/einer Freundin eine Langzeitreise durchzuziehen…dazu gehört eine gehörige Portion Glück.

Mit Fremden

zu reisen ist gar nicht mal so unbeliebt. Über Reiseforen gibt es zahlreiche Reisewillige, die sich alleine nicht trauen und noch Reisepartner suchen. Eine nützliche Zweckgemeinschaft, die auch Kosten bei den Unterkünften spart. Aber auch auf der Reise selbst lernt man genügend Leute kennen, denen man sich anschließen kann, was wiederum für einen Start als Alleinreisender spricht. Denn sowohl als Paar, als auch mit guten Freunden ist Eifersucht vorprogrammiert, wenn plötzlich die viel cooleren und lustigeren Leute aus dem Hostel auftauchen und man sehr viel mehr Spaß mit ihnen hat, als mit dem eigenen Freund/Freundin. Toleranz und Kompromissfähigkeit sind gegenüber Fremden meist deutlich ausgeprägter als gegenüber eigenen Freunden. Und das beste daran, es dauert einige Tage oder Wochen, bis der Reisepartner seine tiefen psychischen Störungen preisgibt und bis dahin kann man wieder getrennte Wege gehen und sich einen neuen Reisepartner suchen. Perfekt. Eine komplette Reise mit Fremden jedoch – unmöglich!

Alleine

…bist Du nie allein. Naja, das stimmt wohl nicht ganz. Einsame Stunden in bestimmten Reisegegenden sind vorprogrammiert. Wer nicht über die Balearen um die Welt reist, wird es nicht verhindern können, auch mal den ein oder anderen Abend alleine zu verbringen. Aber warum soll das negativ sein?! Auch mal mit sich allein sein zu können ist eine Fähigkeit, die jeden Reisenden bereichern wird. Alleine auf einer Mayapyramide sitzend, alleine an einem karibischen Strand Yucatans, alleine mitten im Gebirge Vietnams habe ich mit die schönsten und intensivsten Erlebnisse meines Lebens gehabt.

 

Man empfindet viel intensiver und ist nicht durch andere Personen vom „Erleben“ abgelenkt. Niemanden neben mir, über den ich mir Gedanken machen muss

Gefällt es ihr/ihm auch?
Sollen wir schon gehen oder noch bleiben?
Was machen wir als nächstes, damit auch sie/er zufrieden ist?
Niemand, dem zu kalt oder zu warm ist,
niemand, der zu müde ist, um weiterzugehen,
niemand, dem etwas gar nicht gefällt, was mir vielleicht große Freude macht,
niemand, der beschäftigt werden will, außer mir selbst.

Reisen ist purer Egoismus!

Nur wenn die eigenen Bedürfnisse befriedigt werden, empfindet man die vollkommene Zufriedenheit. Alleine reisen ist Genuss pur! Alleine lernt man die meisten Leute kennen. Gezwungenermaßen ist man offener gegenüber Fremden. Andere Alleinreisende gehen ebenso offener auf einen zu und auch Einheimische haben eine niedrigere Hemmschwelle jemanden anzusprechen.

Kurzzeitbesuche von Freunden vs. Zweckgemeinschaften Weltreisender

Einen Freund oder eine Freundin von daheim dabei zu haben und einige Tage oder Wochen gemeinsam zu verbringen ist sicher eine  willkommene Abwechslung, birgt aber die Gefahr des unterschiedlichen Reisetempos. Während der Langzeitreisende in seinem Flow „lebt“, macht der Kurzzeitbesucher „Urlaub“ und möchte in der kurzen Zeit so viel wie möglich erleben und sehen.

Stresser trifft auf Flower…eine gefährliche Kombination. Sich immer wieder an andere Langzeitreisende mit dem gleichen Reisetempo dranzuhängen ist  wesentlich einfacher und sinnvoller.

Der andere wirds schon regeln

Nicht zu unterschätzen ist auch die stattfindende persönliche Entwicklung. Alleine unter Stress in schwierigen Situationen zu handeln bringt die größte Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Sich immer auf jemanden verlassen zu können, die Stärken eines anderen zu nutzen und sich gemütlich zurückzulehnen, zwingt einen nicht, seine eigene Komfortzone zu verlassen und sich selbst mit einem unangenehmen, fremden Thema zu befassen.

Die Freundschaften unterwegs sind teils oberflächlich und kurz, teils intensiv und bereichernd. Ich kann nur jedem empfehlen, sich von dem Irrglauben zu befreien, man müsse immer alles mit jemandem teilen müssen, und sich mal 3 Wochen eine Fernreise alleine zu gönnen. Und selbst, wenn man nicht gut alleine sein kann…

…die Welt ist voller Alleinreisender, die temporären Anschluss suchen, häng Dich dran.